Montag, 6. April 2020

Buchtipp: "Die Pest" von Albert Camus

Na, das passt doch wie die Faust aufs Auge, oder?























Hinweis: 
Da es dieses Buch zweifellos noch aktuell im Handel gibt, handelt es sich bei diesem Beitrag vermutlich um Werbung. Unbezahlte und unaufgeforderte, aber eben scheinbar doch Werbung.
Macht aus dieser Info, was ihr wollt.

Weil wir doch alle daheimbleiben sollen, haben wir auch wieder mehr Zeit zum Lesen.
Ich präsentiere heute Weltliteratur, die nicht weh tut: Camus kann man ganz normal lesen. Ohne dadurch dümmer zu werden.

Erzählt wird ein (fiktiver) Ausbruch der Pest in Oran, einer Küstenstadt in Algerien, in den vierziger Jahren. Die Bewohner sind ganz gewöhnliche Leute, die viel arbeiten und am Wochenende ihren Vergnügungen nachgehen.
„Man wird wahrscheinlich sagen, dass das nicht nur für unsere Stadt charakteristisch ist und dass genaugenommen alle unsere Zeitgenossen so sind. Wahrscheinlich, heute ist ja nichts normaler, als Leute von morgens bis abends arbeiten zu sehen, die sich dann entscheiden, beim Kartenspiel, im Café und mit Geschwätz die Zeit zu vergeuden, die ihnen zum Leben bleibt.“

An einem Frühjahrsmorgen stolpert der Arzt Rieux über eine tote Ratte auf seiner Haustreppe. Er denkt sich nichts dabei, aber in den nächsten Tagen häufen sich die kleinen Kadaver überall. Die Stadtverwaltung sieht sich zum Handeln gezwungen und lässt die toten Ratten wegräumen. Dann stirbt der Concierge des Hauses mit abnorm geschwollenen Lymphknoten und hohem Fieber.
„Wie unsere Mitbürger nun merken sollten, hatten sie nie gedacht, dass unsere kleine Stadt ein besonders geeigneter Ort sein sollte, wo die Ratten in der Sonne sterben und Concierges an seltsamen Krankheiten zugrunde gehen. In dieser Hinsicht befanden sie genaugenommen im Irrtum und mussten ihre Vorstellungen revidieren. Wenn damit alles sein Bewenden gehabt hätte, wären sie sicher zu ihren Gewohnheiten zurückgekehrt.“

Aber auch andere sterben mit ähnlichen Symptomen, und nicht alle Toten sind arme Leute. Rieux und seine Kollegen müssen schließlich befürchten, dass es sich nicht nur um eine ansteckende Krankheit, sondern tatsächlich um die Pest handelt. Nun macht sich eine gewisse Ungläubigkeit breit, ein allgemeines Zögern.
„Plagen sind ja etwas Häufiges, aber es ist schwer, an Plagen zu glauben, wenn sie über einen hereinbrechen. […] Wenn ein Krieg ausbricht, sagen die Leute: „Das wird nicht lange dauern, das ist doch zu dumm.“ Und zweifellos ist ein Krieg mit Sicherheit zu dumm, aber er dauert trotzdem lange. […] Unsere Mitbürger waren nicht schuldiger als andere, sie vergaßen einfach nur, bescheiden zu sein, und sie dachten, alles sei für sie noch möglich, was voraussetzt, dass Plagen unmöglich sind. […] Sie hielten sich für frei, und niemand wird je frei sein, solange es Plagen gibt.“

Zunächst begnügt man sich mit „kleinen weiße Bekanntmachungen […], die die Präfektur schnell an den unauffälligsten Ecken der Stadt hatte ankleben lassen“ des Inhalts, dass einige Fälle eines bösartigen Fiebers aufgetreten seien, das man aber mit geeigneten Maßnahmen sicher bekämpfen könne, und dass man davon ausgehe, dass sich die Bevölkerung diszipliniert und ruhig verhalte.
Als die Sterbefälle weiterhin zunehmen, wird von der Regierung der Pestzustand erklärt und die Stadt vollständig geschlossen.

Auch das nimmt man zunächst eher als ärgerliche Einschränkung der eigenen Interessen wahr. Erst als sich mit der Sommerhitze die Pest immer schneller ausbreitet und sich die völlige Trennung von der Außenwelt auf unabsehbare Zeit ausweitet, nehmen Angst und Verzweiflung zu. Insbesondere die getrennten Liebenden leiden unter dem „Exil“. Wer sich zunächst noch mit unbegründeter Eifersucht quält, stumpft im Lauf der Monate ab. Er trauert zwar noch, aber verliert langsam die Hoffnung.
„Es muss einfach gesagt werden, die Pest hatte allen die Fähigkeit zur Liebe und sogar zur Freundschaft genommen. Denn die Liebe verlangt ein wenig Zukunft, und für uns gab es nur mehr Augenblicke.“

Mittlerweile sind Krankenhäuser, Notlazarette und Quarantänelager überfüllt, die Ärzte überarbeitet. Die Versorgungslage wird schlechter. Beerdigungen im eigentlichen Sinn gibt es nicht mehr, da nur noch zählt, die Ansteckungsgefahr durch die Toten in der brütenden Sommerhitze einzudämmen. Nachdem auch die Massengräber gefüllt sind, werden die Leichen in einem eigentlich ausgedienten Krematorium verbrannt.
Währenddessen bringt die Situation ans Licht, wie unterschiedliche Charaktere auf die Belastung reagieren. Ein Frischverliebter denkt nur an seine Flucht aus der Stadt und zu seiner Geliebten, ein Schwarzhändler organisiert einen Freiwilligendienst, ein alter Asthmakranker genießt die Unterhaltung durch die Nachrichten, und ein unentdeckter Verbrecher fühlt sich vorübergehend beruhigt und sicher. Rieux hält die pausenlose Arbeit davon ab, über seine schwerkranke Frau nachzugrübeln, die außerhalb der Stadt in einem Sanatorium untergebracht ist.

Auch im Herbst lässt die Pest noch nicht nach.
„es war so, als habe die Pest sich auf ihrem Höhepunkt gemütlich eingerichtet und verrichte nun ihre täglichen Morde mit der Präzision und Regelmäßigkeit eines guten Beamten.“
Trotzdem zeigt sich, dass die Freiwilligen nicht aufgeben, die Ärzte weiter arbeiten, und im Großen und Ganzen das Leben eben doch weiter geht – unter schlimmen Bedingungen zwar, aber es geht weiter.
Erst im Januar werden die Opfer weniger. Auch ein neues Serum, das den Verlauf der Krankheit abschwächen soll, beginnt Erfolge zu zeigen. Im Frühjahr ist die Pest endlich besiegt und die Stadt wird wieder geöffnet.

An diesem Buch mag ich den schlichten Aufbau, die durchdachten Überlegungen zu den Motiven und Handlungsweisen der Betroffenen, den leisen Humor, und natürlich auch die Spannung.
Früher habe ich die Pest in dem Buch eigentlich eher als eine Metapher verstanden. Ich dachte, es ginge da wohl mehr um Krieg und Exil. Kann auch gut sein, dass es wirklich so gedacht war, aber trotzdem interessant, wie genau es zur derzeitigen Situation passt (die ja, bei aller Tragik und Dramatik, im Vergleich eine harmlose ist).
Und – es ist im Grunde ein positives Buch. Nichts wird beschönigt oder verherrlicht, aber doch gezeigt, dass Anstand und Solidarität die einzigen Mittel sind, die "die Pest" besiegen können.

5 Kommentare:

  1. Liebe Centi
    Das Buch hat irgendwer aus meinem Umfeld gelesen und mir davon erzählt. Deine Beschreibung tönt verlockend.
    Du, Centi, könntest du deinen anderen Blog mit dem Übersetzungsbuch wieder einmal hier verlinken. Ich finde ihn nicht mehr. Danke!
    Liebe Grüessli
    Eda

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    1. Klar, gerne:
      https://disciparentis.blogspot.com/
      Ich habe da aber "seit Corona" nichts Neues mehr gepostet... demnächst geht es aber wieder weiter! :-)

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  2. Hihi, das wollte ich auch gerade sagen ... ja, dieser Vergleich drängt sich einem geradezu auf.
    Wollen wir hoffen, dass das Ganze bald ein Ende hat.

    Bleib gesund, liebe Centi!

    Liebe Grüße
    Sara

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  3. Lesen in Corono-Zeiten. Ein Segen, dass man ein Hobby hat, das man Zuhause durchziehen kann. Meine Bücherberge schrumpfen merklich. "Die Pest" klingt wirklich sehr verlockend zu lesen, obwohl ich mir geschworen habe, keine neuen Bücher zu kaufen.

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Ich freue mich immer über nette und konstruktive Kommentare! Vielen Dank dafür!
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