Montag, 22. August 2016
Künstliches Alter
Jugend ist ja nicht immer von Vorteil. Oft zählen Reife und Erfahrung einfach mehr.
Beim Schnapskaufen zum Beispiel.
Oder bei Holz. Schön gealtertes Holz sieht oft besser aus als nagelneues. Kratzer, Schrammen, Löcher, Verwitterung, Nachdunkeln und Ausbleichen - das gibt Charakter.
Ich hatte mal so ein Kästchen für Papiertücher geschenkt bekommen. Ich brauche so was zwar nicht, aber im Büro könnte ich das schon benutzen, wenn es denn ein bisschen schöner wäre.
Das Kästchen war ein Rohling und vermutlich zum Bemalen oder so gedacht. Aus unbehandeltem Fichtenholz.
Wenn etwas aus Holz ist, male ich es ganz ungern an. Einfach nur lackieren kommt bei so einer unspektakulären Fichtengeschichte aber auch nicht richtig gut.
Also hab ich mal geschaut, was das Internet zum Thema "Holz künstlich altern lassen" hergibt und mich ans Werk gemacht.
Nachdem ich das Kästchen rundrum einmal mit Sandpapier angeschliffen hatte, habe ich die Oberfläche dezent zerstört.
Weil Fichtenholz ganz schrecklich weich ist, kann man schon mit dem Fingernagel Kratzer reinmachen. Also war hier eher Vorsicht als brachiale Gewalt geboten. Ich habe mit allerhand kleinen Metallgegenständen Schrammen und Kratzer verteilt und mit ganz sanften Hammerschlägen ein paar tiefere Ecken reingehauen.
Mit einer Messingbürste habe ich hier und da etwas Struktur reingebracht. Die Bürste nimmt die weichen Bestandteile ein bisschen weg und lässt die härteren (Jahresringe, Äste...) übrig. Immer in Faserrichtung bürsten, nie quer dazu!
Für Wurmlöcher empfiehlt das Internet Schrauben einzuschlagen. Für hartes Holz ist das vielleicht geeignet, für weiches nicht. Die Löcher sehen im Leben nicht aus wie vom Holzwurm, sondern so wie auf dem oberen Bild. So ein Wurm frisst sich ein formschönes Loch mit sauberen Kanten, der macht keine Splitter.
Mit einer Stricknadel kriegt man dagegen wunderbare, runde Wurmlöcher, die beinahe echt aussehen.
Bis jetzt sieht das alles zugegeben einfach nur kaputt aus. Wird aber besser, vertraut mir!
Um eine graue, verwitterte Oberfläche zu erhalten, soll man Essig mit Stahlwolle ansetzen und ein bisschen stehen lassen.
Natürlich gab es wieder nirgends richtige Metallwolle, aber ich dachte mir, das so ein komischer Topfputzer auch reichen müsste, wenn man etwas mehr Geduld hat. Hauptsache, es korrodiert, nicht wahr?
War wohl nicht so. Oder geht nicht gut bei Fichte. Das Holz wird zwar dunkler, leicht grau (erst beim Trocknen!) und sieht auch etwas älter aus, aber bei Weitem nicht so verwittert, wie ich mir das vorgestellt hatte. Und auch noch viel zu hell.
Im Internet habe ich gelesen, dass auf säurehaltigen Hölzern wie Eiche der Essig-Effekt dagegen sogar zu stark werden kann, so dass das Grau schon ins Schwarze tendiert.
Offenbar nicht so einfach.
(Wie sich später herausstellte, ist es doch ganz einfach!)
Also dachte ich mir, probier es doch mal mit Beize. Ich hatte noch eine Flasche Clou Rustikal-Effekt-Beize in "moorbraun" im Schrank. Rustikal klang mir vielversprechend. Unverdünnt macht die Beize beinahe schwarz, also hab ich mal einen Teelöffel abgenommen und mit vier Teilen Wasser verdünnt.
Wenn ihr so was vorhabt: Zieht euch Handschuhe an. Bei einem Werkstück, das man notwendigerweise in die Hand nehmen muss, kriegt man sonst herrlich und hartnäckig bunte Finger. Ich weiß, wovon ich rede...
Beim Auftragen sah die Farbe immer noch sehr dunkel aber schön braun aus, trocken dann allerdings fürchterlich rot. Die gleiche Farbe wie mein Balkontisch aus Eukalyptusholz.
Total OK, wenn man jetzt angenommen echtes Mahagoni hat, aber Fichtenholz sieht nunmal nicht aus, als könnte es jemals so rot sein. Man nimmt ihm die Farbe ganz einfach nicht ab. Und ich bin ja eh immer eher für Braun, Honiggelb oder eben grau.
Tja, dachte ich, ab geht das nun nicht mehr.
Also nochmal leicht angeschliffen, sauber abgewischt und dann mein Öl für alles (na gut, also außer zum Kochen) und einen Putzlumpen zur Hand genommen. Schließlich sollte die Oberfläche noch irgendwie behandelt werden, und Lack mag ich nicht so gerne.
Ballistol ist eigentlich für Waffen gedacht, geht aber auch prima für Fahrräder, Schuhleder oder eben Holz. Und riecht angenehm nach Latschenkiefern, nicht nach Schweröl.
Und - jippieh!
Mit dem Lappen eingerieben macht das Öl alle Poren und Beschädigungen in der Holzstruktur richtig dunkel. Die glatten Teile werden dagegen fein mittelbraun und das fiese Rot verschwindet fast ganz.
Hier sieht man die Wirkung der Messingbürste ganz gut.
Ich hätte nicht gedacht, dass in der ollen Schachtel so viel Potential steckt.
9 Kommentare:
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LOL Zuerst dachte ich, das ist aber ein hübsch gealtertes Kästchen. Tolle Arbeit :D!
AntwortenLöschenSehr schön! Die Tipps muss ich mir unbedingt merken. Auf Mittelaltermärkten altert Fichten- und Lindenholz zwar auuch schnell - aber die ersten ~zwanzig Benutzungstage sind immer etwas unangenehm neuzeitlich ;) Obwohl wir Balistol in unterschiedlichen Varianten haben, greife ich aber lieber zu Leinöl. Einfach, weil es billiger ist. Außer bei Waffen, da darf es das Gute sein.
AntwortenLöschen(Oh, ich muss dir noch eine Mail schreiben!)
Super gealterte Kiste!! Die Wurmstiche sehen tatsächlich echt aus.
AntwortenLöschenFür mehr Rost musst Du vielleicht Akopads nehmen, erst die Seife raus waschen (zum Beispiel beim Topf reinigen ^^ ) Und danach zum altern benutzen. Das rostet wie Hölle.
Und Ballistol, die Sprühvariante, nehmen wir immer für Hühnerfüße. Die haben schon mal Milben unter den Schuppen an den Beinen, was die furchtbar juckt, und mit Ballistol sterben die Milben ab, wel sie keine Luft bekommen. Und die Hühnerfüße werden wieder unjuckig!
Liebe Grüße
Katha
Ich sag's ja: Ballistol ist für ALLES gut! :D
LöschenGrandios :D
AntwortenLöschenBeim ersten Bild dachte ich: Wie will sie das schöne Kistchen noch schöner machen?
Dass es so eine uncharakterhafte Box war, konnte ja niemand ahnen :D
Toll!! Ich mag vor allem die spannende Beschreibung. Vielen Dank allein dafür - und für den Tipp sowieso
AntwortenLöschenToll!! Ich mag vor allem die spannende Beschreibung sehr! Und danke für den Tipp natürlich auch.
AntwortenLöschenPassende Stahlwolle gibts im Baumarkt.
AntwortenLöschenDie für die Töpfe soll natürlich nicht rosten ;-)
Aber top gemacht!
Nach ein paar Wochen in Essig sieht auch die Topf-Stahlwolle schon ganz, ganz anders aus und die Wirkung von dem Gebräu lässt nicht mehr zu wünschen übrig. Aber wenn es schnell gehen soll, ist die Stahlwolle vom Baumarkt bestimmt gut. Leider sind für mich Baumärkte nur sehr schlecht zu erreichen, da die grundsätzlich von motorisierten Kunden ausgehen.
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