Es gibt wieder kurze, knackige Buchbesprechungen über einige Bücher,
die ich im vergangenen Monat gelesen habe, allerdings nicht über alle. Das ist
mir leider zu viel Arbeit.
Hinweis: Da es einige der Bücher, die ich hier vorstelle, noch aktuell
im Handel gibt, kann es sein, dass es sich bei diesem Beitrag um unbezahlte und
unaufgeforderte Werbung handelt. Macht aus dieser Info, was ihr wollt.
Kazuo Ishiguro: Never Let Me Go
Ich gebe zu: Ich habe gewisse Schwierigkeiten, mir japanische Namen zu
merken. Der hier ist der mit The Remains
of the Day (Was vom Tage übrigblieb), was ich allerdings nicht kenne. Ich hab nur mal
den Film gesehen und fand ihn eher langweilig. Was ich aber kenne ist A Pale View of Hills (Damals in Nagasaki),
ein Buch, das immer noch locker den Rang des unheimlichsten und bedrückendsten Romans hält,
den ich je gelesen habe.
Never Let Me Go
(Alles was wir geben mussten) ist auch nicht gerade ein Garant für gute
Laune.
Die ungefähr 30jährige Kathy ist „Betreuerin“ von „Spendern“ und blickt
auf ihr Leben in einem Internat zurück. Erinnerungen wie sie vermutlich so oder
ähnlich jeder Internatsschüler haben wird, an Klassenkameraden, Lehrer,
Freundschaften, kleine Intrigen und Liebeskummer. Allerdings heißen die Lehrer „Wärter“,
die Kinder verlassen das Internatsgelände nie und scheinen auch keine Familien
zu haben. Nach und nach wird einem mit zunehmendem Grausen klar, was auch die Schüler schrittweise
erfahren: Sie sind geklonte Menschen und nur auf der Welt, damit ihnen als
Erwachsene Organe entnommen werden können. Aus dem System gibt es kein
Entkommen – wer „Betreuer“ wird, fängt nur ein paar Jahre später mit dem „Spenden“
an. Eine Zukunft, einen Beruf oder Kinder gibt es für keinen. Kathy und alle ihre früheren Mitschüler werden sterben, sobald ihr Körper
die Organentnahmen nicht mehr verkraftet. Nachdem man das kapiert hat, wartet
man natürlich auf die Rebellion oder den Versuch, zu entkommen – das passiert
aber nicht. Niemand lehnt sich auf. Trotzdem liest sich das Ganze ziemlich fesselnd.
Im Grunde geht es wohl weniger um das Thema Klonen oder Organspenden, sondern darum, dass Menschen ihr Menschsein abgesprochen werden kann. Ein Buch, das einem lange im Gedächtnis
bleibt, ob man will oder nicht.
Thomas Wolfe: Schau heimwärts, Engel
Eugen Gant wird um 1900 eine eher schwierige Familie im Süden der USA
hineingeboren. Sein Vater ist ein unberechenbarer Alkoholiker, seine Mutter eine
knauserige Krämerseele, seine Geschwister unheilbar unzufriedene Zerrversionen amerikanischer
Stereotypen: das brave Hausmütterchen, das zu heimlicher Grausamkeit neigt, der
gutaussehende Weiberheld und erfolgreiche Verkäufer, der leider etwas doof ist,
der schweigsame, einsame Kämpfer, der für die Armee untauglich ist, die selbstbewusste
Varieté-Sängerin, die sich als Krankenschwester für den undankbaren Vater
aufopfert: Eine nie versiegende Quelle für Zwistigkeiten, Eifersucht und Streit,
aber auch für einen Zusammenhalt, dem Eugen nicht entgehen kann, obwohl er es
schließlich versucht. Wolfe blickt hier mit 29 Jahren auf seine Jugend zurück,
was Vor- und Nachteile halt. Er ist halt doch noch sehr nah dran. Und er möchte
unbedingt mal alles loswerden, einen Rundumschlag in epischer Breite machen. Episch
ist in weiten Teilen auch die Sprache. Das Buch klingt streckenweise wie die
Bibel und hat auch ungefähr den gleichen Umfang. Für mich persönlich war das
einfach ein bisschen zu ausführlich und zu anstrengend. Irgendwann kann man all
diese Leute mit ihrem ewigen Familiengehampel einfach kaum noch ertragen.
Im Vergleich zu James Joyces Ulysses (der Vergleich drängt sich einfach
auf) schneidet dieses Buch meiner unmaßgeblichen Meinung nach aber um Längen
besser ab. Hier wird wenigstens was erzählt. Und es ist auch nicht halb so
eklig.
Was mich an dieser Ausgabe gestört hat sind die zahlreichen Druckfehler,
die das Lesen wirklich nicht leichter machen.
Ule Hansen: Neuntöter
Ein Krimi aus Berlin, in dem es an Sex and Crime wahrlich nicht mangelt.
Eine traumatisierte Polizistin ermittelt gegen eine Tätergruppe, die ihre
Mordopfer lebend in Klebeband einwickelt und wie Kokons in einem Baugerüst
aufhängt. Nebenher versucht sie damit zurechtzukommen, dass der Mann, der sie
als junges Mädchen vergewaltigt hat, seine Haftstrafe abgesessen hat, erfolgreich
seine Memoiren veröffentlicht und sich als geläuterten Straftäter und moralischen
Vordenker der Gesellschaft feiern lässt.
Für meinen Geschmack gibt es einfach zu viele Leichen und zu viel Gewalt.
Was schade ist, denn die Story hinter den Morden fand ich - wenn auch etwas
reißerisch - noch gar nicht mal so schlecht, die Dialoge sind ausnahmsweise
wirklich mal lebensnah statt hölzern, und ziemlich spannend ist es auch. Wen
die ausufernde Grausamkeit nicht stört, kann sich mit dem Buch auf ein paar
spannende Lesestunden freuen.
Vielen Dank für die tollen Buchtipps - das zweite gefällt mir gut. Ich mag Familiengeschichten sehr gern - erinnert mich immer an die Buddenbrocks von Thomas Mann...
AntwortenLöschen