Freitag, 7. Juni 2019

Ausgewähltes Lesefutter April

Es gibt wieder kurze, knackige Buchbesprechungen über Bücher, die ich im vergangenen Monat gelesen habe (oder im Monat davor... )
Allerdings nicht mehr über alle. Wie sich herausstellte, ist das einfach zu viel Arbeit. Ich lese eine ganze Menge, hab sonst auch noch ein paar Hobbies und einen Vollzeitjob.

Hinweis: 
Da es einige der Bücher, die ich hier vorstelle, noch aktuell im Handel gibt, kann es sein, dass es sich bei diesem Beitrag um unbezahlte und unaufgeforderte Werbung handelt. Macht aus dieser Info, was ihr wollt.
  
Wilkie Collins: Gefallene Blätter
Ein Krimi aus dem 19. Jahrhundert. Ich glaube, der Autor hat das Genre zumindest mit erfunden. Die Story: In London verführt ein ehrgeiziger, gewissenloser Mann die Tochter seines Chefs. Als ihr uneheliches Kind geboren wird, entführt er es heimlich und erzwingt so (irgendwie, so ganz genau hab ich's nicht kapiert) die Heirat mit der fassungslosen Mutter. 16 Jahre später kommt ein netter junger Mann nach England, der in den USA in einer Art sozialistischer Kommune erzogen wurde und folglich zu unkonventionellen Ansichten neigt. Er soll im Auftrag der unglücklichen Mutter die immer noch verschwundene Tochter suchen. Zufällig stolpert er über eine verwahrloste junge Prostituierte, die sich aber als ein ganz entzückendes Mädchen entpuppt, in das er sich sozusagen zu Recht verliebt. Dummerweise hat er sich vorher aber schon mit einer anderen Dame verlobt.
Die Geschichte wirkt ehrlich gesagt schwer konstruiert. Allerdings holt der Autor eine ziemliche Menge raus, weil er es schafft, sie überraschend spannend zu erzählen und jede Menge berechtigte Kritik an der (damaligen) Gesellschaft unterzubringen. Ab und zu ist es sogar ganz lustig. Leider neigt er ein wenig zu Langatmigkeit. Wenn jemand aus dem Fenster guckt, dann wird ausführlich beschrieben, was er dort sieht, und jedes Gespräch wird möglichst komplett wiedergegeben – das Buch um ca. 20 Prozent zu kürzen, hätte ihm gut getan.
Ich habe leider vergessen ein Foto von dem Buch zu machen, bevor ich es wieder in die Grabbelkiste gepackt habe.


















Julian Fellowes: Eine Klasse für sich
Ganz ähnliche Schwachstellen: Konstruierte Handlung, zu lang, und, was erschwerend hinzukommt, noch nicht mal spannend. Allerdings nett geschrieben und hier und da ganz lustig.
Julian Fellowes ist der, der Downton Abbey geschrieben hat. Der britische Adel muss wohl sein Lieblingsthema sein. Hier blickt ein älterer Mann auf die „Saison“ 1968 zurück, also eine Reihe von Bällen, Party und Veranstaltungen, in denen im Sommerhalbjahr die jüngeren, ledigen Mitglieder der besseren Gesellschaft dezent zusammengeführt werden sollen. Ein junger Mann ohne Titel oder Geld schleicht sich in diese Kreise hinein und amüsiert sich offenbar lebhaft. Als er 30 Jahre später enorm reich, aber unheilbar erkrankt ist und sein sicherer Tod kurz bevor steht, beauftragt er den Protagonisten herauszufinden, welche von sage und schreibe fünf Frauen, mit denen er in diesem Sommer kurze oder längere Affären hatte, möglicherweise ein Kind von ihm hat, um diesem Sprössling sein Vermögen zu vererben. Irgendwie gerät da die Zeitschiene etwas ins Wanken - der Sommer muss ungefähr anderthalb Jahre lang gedauert haben. Oder der Knabe war so sterbenslangweilig, dass den Damen ein paar Wochen mit ihm wie mehrere Monate vorkamen.
Was auch ein bisschen enttäuscht: Bei einem Dinner 1971 soll irgendetwas Unfassbares passiert sein, was uns der Autor auch erst ganz kurz vor Schluss verrät. Das ist allein schon ein billiger Trick. Dann war das Vorkommnis aber noch nicht mal so skandalös, wie er uns glauben machen wollte. Und der Schluss selber: Na ja.

Joseph Roth: Hiob
Die Handlung beginnt wenige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg: Mendel Singer ist ein einfacher, frommer Toralehrer im russischen Galizien. Sein viertes Kind bleibt in seiner Entwicklung zurück und lernt weder sprechen noch laufen. Mendel treffen noch mehr Schicksalsschläge: Seine älteren Söhne müssen zum Militär. Der älteste bleibt gerne Soldat (womit er auch seine jüdisch-orthodoxe Lebensweise aufgibt), der Zweitgeborene flieht nach Amerika. Als sich Mendels schöne Tochter mit Kosaken einlässt, beschließt er, mit ihr und seiner Frau auch in die USA zu ziehen. Den behinderten Sohn lassen sie mit schlechtem Gewissen bei Bekannten zurück. Aber auch in Amerika trifft das Unglück weiterhin zielsicher den armen Mendel und seine Familie, bis er sich von Gott lossagt und seinen Glauben aufgibt. Bis hierhin ist das Buch im Wortsinne schlicht und ergreifend großartig. Nur das Ende ist dann irgendwie ein bisschen kitschig geraten. Trotzdem - ein sehr gutes Buch.

Kim Smage: Tapetenwechsel
Ein Krimi aus Trondheim: Eine Galeristin wird tot aufgefunden. Ist der Mörder in ihrem Umfeld zu suchen, oder hat ihr Tod eher mit dem alten Haus zu tun, in dem sie gefunden wird? Dort hat ein Künstler Lage für Lage alte Tapeten von der Wänden geschält und Collagen aus ihnen gestaltet. Aber Tapeten sind nicht alles, was er dabei gefunden hat. Ich klinge wie ein schlechter Klappentext. Aber bei einem Krimi kann man ja nun nicht alles vorher verraten, dann braucht ihn ja keiner mehr lesen. Ich mochte den Schreibstil nicht besonders und wurde das Gefühl nicht los das man aus der Story mehr hätte rausholen können. Geradezu schlecht ist das Buch aber auch nicht. So mittel, würde ich sagen.

4 Kommentare:

  1. Danke für den Tipp und die ehrliche Kritik. Gerade im Sommer les ich gern Krimis. Zur Zeit les ich ein Buch über Soaniens Geschichte. Auch sehr spannend. Genieß die Sonne.

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  2. Schön, einfach eine Buchvorstellung ohne Auftrag im Hintergrund! "Hiob" hat mich besonders angesprochen- seinen Glauben aufzugeben, verspricht eine Geschichte mit Tiefgang.
    Danke und liebe Grüße, Bianca

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    1. Ja, das Buch kann ich echt nur empfehlen.

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