Vielen Dank an den Ammianus-Verlag für das kostenlose Rezensionsexemplar via
Zum ersten Mal hab ich meine Buchbesprechung ein bisschen vor mir hergeschoben. Keine Faulheit, ausnahmsweise. Ich brauchte ein paar Tage, "um Abstand zu gewinnen", wie es immer so schön heißt.
Die Geschichte beginnt 1933 in Aachen. Die Hauptperson ist Jakob, ein jüdischer Jugendlicher. Er erlebt, was viele erleiden mussten: Wenn ihn jetzt seine Mitschüler hänseln oder quälen, schauen die Lehrer weg. Seine ehemaligen Freunde wenden sich von ihm ab. Später muss er die Schule verlassen. Nach den Novemberprogromen 1938 wird Jakobs Vater in ein KZ gebracht. Er kehrt als gebrochener Mann zurück. Als Jakobs Eltern ihre Existenzgrundlage aufgeben und auswandern wollen, ist das kaum noch möglich. Der Krieg beginnt, die deutschen Behörden wollen das Kapital der jüdischen Bevölkerung im Land behalten, und die Nachbarstaaten wollen keine Flüchtlinge aufnehmen. Jakob gelingt trotzdem mit seiner Freundin Annie die Flucht nach Belgien. Aber auch dort sind sie nicht sicher. Als deutscher Staatsbürger wird Jakob zunächst interniert. Er kann zwar wieder fliehen, aber er kommt zu spät zurück. Denn als die Deutschen Belgien besetzen, werden Annie und ihre Eltern nach Auschwitz deportiert.
Jakob und Annie sind fiktive Figuren, aber was sie erlebt haben, war die bittere Realität von vielen anderen. Im ausführlichen Anhang werden die Stationen der Erzählung durch Berichte, Fotos und Dokumente belegt.
Mir war früher nie so wirklich klar, warum nicht viel mehr Juden rechtzeitig aus Deutschland geflohen sind. Dieses Buch macht das sehr deutlich. Erstens, weil sie sich natürlich und zu Recht als deutsche Staatsbürger fühlten. Jakobs Vater hatte als Soldat im Ersten Weltkrieg eine Auszeichnung erhalten. Dass die Nazis sich lange halten würden, konnten die meisten einfach nicht glauben. Zweitens, weil eine Flucht oft gleichbedeutend mit einem wirtschaftlichen Totalschaden war. Wer gibt schon gerne nicht nur seine Heimat, sondern auch seinen Arbeits- oder Ausbildungsplatz, sein Haus und sein gesamtes Vermögen auf? Und drittens, weil die Flucht in den meisten Fällen nur illegal und unter großer Gefahr möglich war.
Als den Menschen die eigentlich ja unvorstellbare Wirklichkeit der Massenvernichtungslager zu Bewusstsein kam, war es zu spät.
Das ist natürlich nur ein Aspekt von vielen.
Wie es für ganz normale Leute war, plötzlich als Menschen zweiter Klasse zu gelten, verfolgt zu werden und alles zu verlieren, wird sehr anschaulich und lebendig an der Geschichte zweier Jugendlicher erzählt. Die Dokumente im Anhang machen noch deutlich, dass nichts an den geschilderten Vorkommnissen frei erfunden ist. Alles, was Jakob und Annie erleben, haben Hundert und Tausende in Wirklichkeit auch durchgemacht.
Das Buch wendet sich gerade an junge Leute, die nicht mehr die Chance haben, mit Zeitzeugen zu sprechen. Ich finde, dass auch Leute in meinem Alter gut daran tun, es zu lesen. Wer aus der Generation unserer Großeltern hat denn jemals ernsthaft mit uns darüber gesprochen, was den Juden damals angetan wurde?
Zum ersten Mal hab ich meine Buchbesprechung ein bisschen vor mir hergeschoben. Keine Faulheit, ausnahmsweise. Ich brauchte ein paar Tage, "um Abstand zu gewinnen", wie es immer so schön heißt.
Die Geschichte beginnt 1933 in Aachen. Die Hauptperson ist Jakob, ein jüdischer Jugendlicher. Er erlebt, was viele erleiden mussten: Wenn ihn jetzt seine Mitschüler hänseln oder quälen, schauen die Lehrer weg. Seine ehemaligen Freunde wenden sich von ihm ab. Später muss er die Schule verlassen. Nach den Novemberprogromen 1938 wird Jakobs Vater in ein KZ gebracht. Er kehrt als gebrochener Mann zurück. Als Jakobs Eltern ihre Existenzgrundlage aufgeben und auswandern wollen, ist das kaum noch möglich. Der Krieg beginnt, die deutschen Behörden wollen das Kapital der jüdischen Bevölkerung im Land behalten, und die Nachbarstaaten wollen keine Flüchtlinge aufnehmen. Jakob gelingt trotzdem mit seiner Freundin Annie die Flucht nach Belgien. Aber auch dort sind sie nicht sicher. Als deutscher Staatsbürger wird Jakob zunächst interniert. Er kann zwar wieder fliehen, aber er kommt zu spät zurück. Denn als die Deutschen Belgien besetzen, werden Annie und ihre Eltern nach Auschwitz deportiert.
Jakob und Annie sind fiktive Figuren, aber was sie erlebt haben, war die bittere Realität von vielen anderen. Im ausführlichen Anhang werden die Stationen der Erzählung durch Berichte, Fotos und Dokumente belegt.
Mir war früher nie so wirklich klar, warum nicht viel mehr Juden rechtzeitig aus Deutschland geflohen sind. Dieses Buch macht das sehr deutlich. Erstens, weil sie sich natürlich und zu Recht als deutsche Staatsbürger fühlten. Jakobs Vater hatte als Soldat im Ersten Weltkrieg eine Auszeichnung erhalten. Dass die Nazis sich lange halten würden, konnten die meisten einfach nicht glauben. Zweitens, weil eine Flucht oft gleichbedeutend mit einem wirtschaftlichen Totalschaden war. Wer gibt schon gerne nicht nur seine Heimat, sondern auch seinen Arbeits- oder Ausbildungsplatz, sein Haus und sein gesamtes Vermögen auf? Und drittens, weil die Flucht in den meisten Fällen nur illegal und unter großer Gefahr möglich war.
Als den Menschen die eigentlich ja unvorstellbare Wirklichkeit der Massenvernichtungslager zu Bewusstsein kam, war es zu spät.
Das ist natürlich nur ein Aspekt von vielen.
Wie es für ganz normale Leute war, plötzlich als Menschen zweiter Klasse zu gelten, verfolgt zu werden und alles zu verlieren, wird sehr anschaulich und lebendig an der Geschichte zweier Jugendlicher erzählt. Die Dokumente im Anhang machen noch deutlich, dass nichts an den geschilderten Vorkommnissen frei erfunden ist. Alles, was Jakob und Annie erleben, haben Hundert und Tausende in Wirklichkeit auch durchgemacht.
Das Buch wendet sich gerade an junge Leute, die nicht mehr die Chance haben, mit Zeitzeugen zu sprechen. Ich finde, dass auch Leute in meinem Alter gut daran tun, es zu lesen. Wer aus der Generation unserer Großeltern hat denn jemals ernsthaft mit uns darüber gesprochen, was den Juden damals angetan wurde?
Ich lese so ungerne Bücher aus dieser Zeit. Das macht mich so betroffen! Ich habe schon oft mit meiner Oma über diese Zeit gesprochen, über Juden und Menschen mit Behinderung die einfach entsorgt wurden. Sie hält sich dazu immer sehr bedeckt, was mich dann immer sehr ärgert.
AntwortenLöschenIch habe in letzter Zeit einige Bücher gelesen, die sich ebenfalls mit der Vertreibung und Vernichtung von Juden beschäftigt haben. Danach brauchte ich ebenfalls einige Tage Abstand, bevor ich ein neues Buch anfangen konnte.
AntwortenLöschenWas ab 1933 geschah, sollte jedem mehr oder weniger bekannt sein. Neu war für mich, dass auch im 16. Jahrhundert aus etlichen deutschen Städten Juden vertrieben wurden.
Das gibt immer wieder sehr zu denken.
Dennoch einen schönen Feierabend wünscht
Edith
Ich habe mich mit meiner Oma sehr viel unterhalten und sie hat eine sehr (auch sich selbst gegenüber) sehr direkte und ehrliche Aufarbeitung gemacht und diese auch alten Freunden gegenüber eingehalten. Sie war auch noch sehr jung damals und es würde hier zu weit gehen alles zu beschreiben, aber eine Sache hat sie sehr deutlich gesagt immer: "Man hätte es wissen können."
AntwortenLöschenPuh, schwere Kost. Aber wenn ich mir angucke, was gerade in der Welt abgeht auch verdammt wichtig.
AntwortenLöschenLiebe Grüße,
Sabrina
Danke für den Lesetipp, Centi. Ich suche immer nach guter Literatur, die mir die Geschehnisse nahebringen kann. Kommt auf die Leseliste!
AntwortenLöschenLieben Gruß
Gabi
Danke Centi für diese Rezension. Ich werde mal gucken, ob ich da rein schauen werde. Als weiteres Buch aus der Zeit und mit sehr interessanten Perspektiven aus beiden "Richtungen" ist "Hanns and Rudolf" (ich habs im Original gelesen).
AntwortenLöschenEs war jedenfalls auch sehr gut und auch dort ist mir klar geworden, wie schwer die Emmigration den Juden ab einem gewissen Zeitpunkt gemacht wurde.
Und es verdeutlichet auch die Mechanismen, die abgelaufen sind, um solch unvorstellbare Greultaten möglich gemacht zu haben. Dabei ist das Buch mMn nicht wertend und nicht erklärend/ relativierend. Es beschreibt einfach, was auch oft genug ganz schön verstörend sein konnte.