Samstag, 3. Mai 2025

Ein kleiner Trauerfall


 









 

Nein, es ist kein Haustier gestorben. 

Gestern morgen habe ich vor dem Supermarkt, zwischen Bundesstraße und Parkplatz, eine junge Ratte gefunden, die etwas orientierungslos wirkte. Sie rannte auch nicht vor mir weg, sondern blieb einfach sitzen. Das ist kein gutes Zeichen, also habe ich sie eingefangen und nach kurzem Nachdenken mit nach Hause genommen. Sie hat sich schon ein bisschen gewehrt und mich auch wacker in die Hände gezwickt, wirkte aber doch eher schwach. Offensichtlich verletzt, von Parasiten befallen oder krank war sie aber nicht.

Nebenbei: Auch wenn ausgewachsene Ratten nicht jedermanns Ding sind - als Jungtiere sind sie einfach putzig. Schwarze Knopfaugen, große Öhrchen, weiches, seidiges Fell, wirklich unwiderstehlich.

Daheim habe ich sie erstmal in einen sauberen Putzlappen gesetzt, wo sie sich sofort beruhigt hat, und ihr dann ein Notbehelfsheim im Schuhkarton gebastelt.











Der Deckel mit den Luftlöchern wäre nur für den Weg zum Tierarzt gewesen. Die kleine Ratte hat sich in ihrem Putzlappen unter dem kleinen Karton eingerollt. Wasser und ein paar Snacks habe ich auch reingestellt, und dann vorsichtshalber alles in der Badewanne untergebracht.

Meine Hoffnung war, dass sie sich nach ein paar Stunden oder Tagen wieder erholt, munterer wird und ich sie an einem sicheren Ort wieder in die Wildnis entlassen kann. Aus der Badewanne hätte sie nicht so schnell entfliehen können, und außerdem war so sichergestellt, dass sich irgendwelche Flöhe oder Milben (die eigentlich alle Wildtiere haben) nicht in unserer Wohnung verkrümeln.

Um auszuschließen, dass die kleine Ratte doch krank oder verletzt ist, hätte ich sie gerne zum Tierarzt gebracht, aber der hatte am Brückentag natürlich Urlaub.

Und um auszuschließen, dass die Ratte mich durch die (allerdings sehr oberflächlichen) Bisswunden mit irgendwas infiziert hat, wäre ich auch gerne zum Arzt gegangen... aber genau: Urlaub. Mit den Öffis in die Notaufnahme zu gondeln, um Leuten mit echten Problemen noch längere Wartezeiten zu bescheren, war auch keine Option, also habe ich meine Hand selbst desinfiziert und hoffe das Beste. Und ja, sollte sich irgendwas entzünden oder ich mich sonstwie krank fühlen, werde ich sofort zum Arzt gehen. 

Tierbisse, ob von Hund, Katze oder sonstwas sind immer ernstzunehmen, und bei Ratten kommt erschwerend hinzu, dass man sich mit einer Krankheit infizieren kann, die zu sehr schweren Komplikationen führen kann, dem Rattenbissfieber. 

Zurück zur Ratte: 

Sie hat ihr improvisiertes Häuschen leider nie wieder verlassen und ist nach ein paar Stunden eingegangen.

Ich war schon ein bisschen traurig, weil es immer schade ist, wenn so ein junges Tier stirbt. 

Wenn ich beim Spazierengehen tote Mäuse, Vögel oder Spitzmäuse finde, die dem Straßenverkehr, Raubvögeln oder Katzen zum Opfer gefallen sind, nehme ich sie beherzt an Schwanz oder Flügel und werfe sie irgendwo in die Botanik. So hat irgendein Aasfresser zumindest noch ein tolles Abendessen. 

Aber ich wusste ja nun nicht, woran meine Ratte gestorben war. Vielleicht hatte ein Auto sie angefahren und sie hatte innere Verletzungen, vielleicht war sie aber auch krank. Und in dem Fall sollte sie vielleicht besser niemand fressen.

In Deutschland ist bekanntlich alles geregelt, also auch, was mit Tierkadavern machen darf. Tote Kleintiere kann man ganz legal in den Hausmüll werfen, aber das hab ich nun doch nicht übers Herz gebracht. Einfach im Wald oder auf der Wiese verbuddeln ist nicht erlaubt, aber auf dem eigenen Grundstück darf man.


 

 

 

 

 

 

 

 

 

Also habe ich meiner kleinen Ratte die vermutlich schönste Beisetzung gegönnt, die eine wilde Ratte jemals in Elzach bekommen hat: Ein ordentliches Loch gebuddelt, Ratte hinein, wieder zugeschaufelt, alles gut festgeklopft und ein Sträußchen Wildblumen als Abschiedsgruß obendrauf... nun nagt sie im Rattenhimmel auf ewig an guten Sachen!

13 Kommentare:

  1. Das ist nett, dass du dich gekümmert hast. Vielleicht hat sie auch Rattengift gefressen? Gerade in Städten gibt es das ja an jeder Ecke ausgelegt...
    VG
    Elke

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke! Ja, stimmt, Gift kann natürlich auch sein. Da hatte ich noch gar nicht dran gedacht.

      Löschen
  2. Na, du hast Nerven. Bei aller Tierliebe, ohne schützende Handschuhe hätte ich die Ratte nicht aufgehoben und schon gar nicht mit in die Wohnung genommen. Ganz offensichtlich bist du dir ja bewusst, was du dir mit so einem Biss einhandeln kannst.
    Liebe Grüße und eine große Portion Unverständnis
    Elke

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ach, ich denke, ich kann das schon realistisch einschätzen. Man sollte es natürlich nicht drauf anlegen, gebissen zu werden, aber desinfizieren und sich selber dann aufmerksam beobachten, das grenzt das Risiko, an irgendwas zu erkranken, schon sehr ein. :-)

      Löschen
  3. Als Teenager durfte ich Laborratten haben. Ich habe sie geliebt ! Meine Tochter hatte als Teenager Ratten! Wir haben sie alle geliebt.Als Haustier sind Laborratten das Beste, was man haben kann. Kein Tier ist so auf seinen Mensch fixiert wie Ratten.
    Du hast der armen kleinen Eatte ihre letzte Lebenszeit erleichtert. Das gefällt mir sehr
    Herzlichst
    yase

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ach, noch ein Rattenfan! Wie schön. :-)
      Ja, zumindest hatte sie bei mir einen ruhigen Tod.

      Löschen
  4. Moin,
    die Rattengeschichte erinnert mich an das Bilderbuch
    https://www.moritzverlag.de/Alle-Buecher/Buecher-um-mit-Kindern-ins-Gespraech-zu-kommen/Die-besten-Beerdigungen-der-Welt.html
    Ich habe es neulich erst an zwei Kinder verschenkt.
    »Das Buch ist leicht wie eine Feder, zugleich bezaubernd in seiner Nähe zum Spiel der Kinder, die einen ganzen Tag lang Beerdigung spielen.«
    Hans-Joachim Gelberg
    Mein Bruder hat als Kind feierlich seinen Hamster beerdigt und ich war sehr erstaunt das da sogar die Kirchenglocken geläutet haben, ich habe damals nicht gewusst das die Glocken immer um 12 Uhr mittags geläutet haben. Perfekt abgepasst und so eindrucksvoll das ich mich da heute noch dran erinnern kann.
    Liebe Grüße von Conny

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Oh, das mit den Glocken ist so eine schöne Geschichte! :-) Danke auch für den Buchtipp!

      Löschen
  5. Ich bewundere Dich und hoffe, Du bist gegen Tollwut geimpft.
    Ich hätte die Ratte nicht angepackt, aber Du klingst da recht realistisch und ich denke, Du weißt, was Du tust, so schätze ich Dich ein.
    Dein Begräbnis finde ich wunderschön, die kleine Ratte hat es gut gehabt in ihren letzten Stunden.
    Schönen Abend und lieben Gruß
    Nicole

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Tollwut gibt's bei uns zum Glück nicht mehr, gegen Tetanus bin ich geimpft, und wie gesagt, das größte Risiko ist das Rattenbissfieber, und das ist vor allem gefährlich, wenn man nichts davon weiß bzw. die Krankheit nicht in Zusammenhang mit dem Biss bringt.. Bei einer ausgewachsenen Ratte hätte mich vermutlich auch nicht getraut, die einfach anzufassen, aber diese hier war ja fast noch ein Baby.

      Löschen
  6. Du hast alles ganz wunderbar gemacht, hast Dich der kleinen Ratte erbarmt und auch Deine eigene Verletzung ohne Hysterie behandelt. Genauso hätte ich es auch gemacht. Die Tollwut ist in Deutschland ausgerottet, ebenso gibts keine Pest. Was hättest Du, außer einer Infektion mit Bakterien, denn bekommen sollen. Die Idee mit der Badewanne finde ich sehr gut, das merke ich mir für ähnliche Fälle.
    Ich denke auch, dass die kleine Ratte vergiftet war. Gerade in und um Supermärkten wird verstärkt Gift ausgelegt.
    Liebe Grüße, Juliane

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke! Wirklich helfen konnte ich zwar nicht, aber ich hab es immerhin versucht.
      Vermutlich habt ihr Recht, an Gift hatte ich einfach nicht gedacht. Aber eben, wenn es irgendwo ausgelegt wird, dann ja wohl an Supermärkten und Gastwirtschaften (gleich daneben ist noch eine Pizzeria).

      Löschen
  7. ach.. das ist so eine berührende Geschichte..
    ich fürchte mich auch nicht vor Ratten ..
    ich hatte einmal eine weißr zu Pflege
    die war so schmusig und zutraulich..
    allerdings mag ich die ausgewachsenen nicht unbedingt in unmittelbarer Nähe (Garten im Vorbau z.B.)
    da man ja nie weiß was sie verbreiten
    und wie du schon schreibst.. Bisse können gefährlich sein
    liebe Grüße
    Rosi

    AntwortenLöschen

Ich freue mich immer über nette und konstruktive Kommentare! Vielen Dank dafür!
Antworten auf ältere Beiträge moderiere ich, damit mir nichts durch die Lappen geht. Deswegen kann es da schon mal länger dauern, bis dein Beitrag erscheint.

Datenschutzhinweise stehen im Footer ganz unten auf der Homepage. Mit der Nutzung dieses Kommentarformulars bestätigst du, dass du mit der Speicherung und Verarbeitung deiner Daten durch diese Website einverstanden bist.
Mit einem Klick auf den Button «Veröffentlichen» bestätigst du, dass dir die Datenschutzerklärung meiner Website bekannt ist und dass du dieser zustimmst.