Dienstag, 15. September 2015

Der Muff von 1000 Jahren

... unter der Jugend Blumenstrauß.


















Beides hab ich gestern in der Bücherkiste gefunden.
Zeitgleich kam die Postkarte an, die der Captain uns, dem arbeitenden Teil der Bevölkerung, ins Büro geschickt hat - wie unschwer zu erkennen, macht er nämlich gerade Urlaub in Bayern.























Das Blumenstrauß-Büchlein enthält Gedichte zum Vortragen für Kinder und junge Leute und so ungefähr jeden Anlass, den Schwester Josepha um 1920 für feiernswert erachtete.

Beispiele?
  • Dem Vater zum Namenstage mit einem Angebinde
  • Die kleine Enkelin der Großmutter
  • Dem Jubelfeste eines Mannes im Armenvorstande 
  • Beim 50jährigen Priesterjubiläum
  • Die Waisenkinder ihrer Oberin resp. Vorsteherin
  • Eine Lehramts-Präparandin ihrer Lehrerin 
  • Ein Kind dem Primizianten
Also, wenn ihr mal wieder in Verlegenheit geratet, welches Gedicht ihr aufsagen könntet: Wendet euch vertrauensvoll an mich.


















Falls jemand zufällig eine Schwester hat, die gerade 20 wird - was gibt es Schöneres, als 10 Strophen voller Mahnung an die Vergänglichkeit, verbunden mit dem frommen Wunsch, dermaleinst mit ihr in der Heimat droben zu stehen?
Das bringt Stimmung in jede Party.

Mein Lieblingsfund war aber das nächste Buch:


















Ein Brevier von 1946. Damals betete der katholische Priester noch lateinisch.
Ich finde ja, man hätte das aus Gründen der Feierlichkeit auch so lassen sollen. Schon klar, hat keiner verstanden, aber jetzt mal ehrlich: Seit die Messen auf deutsch gelesen werden, gehen auch nicht mehr Leute zur Kirche.























Der Abschnitt ist offenbar die Fassung für die Diözese Paderborn von 1915.


















In Rot sind die - ich sag mal - Regieanweisungen. In den Texten ist dafür, sehr praktisch, die korrekte Silbenbetonung gekennzeichnet.
Übrigens muss ich feststellen, dass mein weiland mühsam zusammengeschustertes Großes Latinum schon ganz schön ausleiert...

Das Brevier hat einen gravierenden Nachteil: Es mufft.
Alte Bücher riechen ja immer irgendwie, aber doch eher charmant. Nach Papier, nach Lampenlicht und gemütlichen Lesestunden.

Dieses riecht nach Keller und Kälte, nach Grab und Gruft.
Und zwar kräftig.


















Überdies war es in einem abgegnubbelten Kunststoffmantel eingeschlagen, den ich aber mit sanfter Gewalt entfernen konnte.
Dann sah es zwar gleich hübscher aus, roch aber noch viel schlimmer.


















Also hab ich bei Google mal ganz nassforsch "Buch entmuffen" eingetippt und prompt eine Menge Tipps bekommen.
Jetzt liegt das Buch möglichst locker aufgeblättert mit ein bisschen Kaffeepulver daneben in einen Karton eingesperrt und harrt darauf, dass sich die Gerüche im Kaffee sammeln.
Ich sag dann Bescheid, ob das geholfen hat.

3 Kommentare:

  1. *hu ... schauder* Grab und Gruft. Das wird villeicht unheimlich nachts mit dem Buchg in der Wohnung ;).

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  2. ..".O pflücket schnell die Rose, ehe kommt die Zeit, da sie verblüht".....
    Na, was soll man denn davon halten?
    Interessante Funde hast Du gemacht.
    Mit dem Brevier könnte ich leider gar nichts anfangen, noch dazu, wenn es so muffelt.
    Edith

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  3. Natron soll auch entmuffen. Das könntest du auch noch ein wenig zwischen die Seiten streuen; würde ich mit dem Kaffe evtl nicht machen, aus Angst vor Verfärbungen. Ist aber wirklich schön!

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