Blogg dein Buch hat mir wieder einen Krimi gegönnt.
Teufelsmord von
Tanja Noy. Hier erhältlich.
Vielen Dank an den Mira-Taschenbuch-Verlag. Ich wusste gar nicht, dass die auch Krimis haben. Oder Thriller, meinetwegen.
Kurzer Anriss der Story:
Tanja Wagner meint mit 30, ihre Vergangenheit weit
hinter sich gelassen zu haben. Aber sie fährt zur Beerdigung einer Freundin aus
Kindheitstagen, die ihren Mann umgebracht haben soll und sich anschließend
erhängt hat. Tanja, die Tote und zwei weitere Freunde sind im kleinen Ort
Wittenrode im Waisenhaus aufgewachsen. Wittenrode wurde 20 Jahre früher von einer
Serie von Ritualmorden erschüttert. Das Dorf ist eine verschworene Gemeinschaft,
die weniger aus Solidarität zusammen hält, sondern weil zu viele Leute etwas zu
verbergen haben. Tanja glaubt an die Unschuld ihrer Freundin und beginnt, unbequeme Fragen zu stellen. Sie ahnt nicht, dass sie bereits in höchster Gefahr schwebt.
Was ich dazu meine:
Nun ja. Fangen wir mal mit den positiven Seiten an.
Recht hübscher Einband, sauberer Druck, gutes Papier, keine Druckfehler
(und das hat ja heutzutage schon fast Seltenheitswert). Offen gesagt, schon da war ich in allen Punkten skeptisch - meine bisherigen Erfahrungen mit Mira-Taschenbüchern waren nicht unbedingt von der Art, dass ich da viel erwartet habe.
Das Buch ist gar nicht schlecht geschrieben, nur hier und da klingen die
Dialoge noch etwas hölzern.
Die Geschichte beginnt eigentlich auch ganz spannend. Der Mann, der in
der Vergangenheit als Mörder verhaftet wurde (und sich dann, wenig originell, ebenfalls
in Polizeigewahrsam umgebracht hat), hat die Morde natürlich nicht begangen,
sondern der große Unbekannte. Leider wird uns zu einem sehr frühen
Zeitpunkt erklärt, dass der Täter ein äußerlich gut angepasster, hoch
intelligenter, männlicher Soziopath sein muss, der außerdem notwendigerweise in
Wittenrode lebt. Im Buch kommen exakt zwei Männer vor, auf die diese Beschreibung
zutrifft. Mit ganz viel gutem Willen vielleicht drei. Zwei von den dreien werden
zu offensichtlich verdächtig dargestellt, um uns als Mörder wahrscheinlich
vorzukommen. Das schränkt die Auswahl und damit den Rätselspaß natürlich etwas ein.
Zumal die anderen auftretenden Personen sterben wie die Fliegen.
Die Satanismusnummer hängt mir inzwischen ein bisschen zum Hals
raus. Menschenopfer hatten wir doch nun schon öfter. Aber gut, über irgendwas
muss man ja schreiben. Gefallen haben mir die Abhängigkeiten in der
Dorfgemeinschaft – man hält nicht zusammen (oder zumindest: die Klappe), weil
man sich so gern hat, sondern weil jeder seine eigenen Interessen wahren
möchte. Ein ländlicher Wust aus verbotenen Liebesverhältnissen, Gewalt, Trunksucht, Spekulationen, Habgier, Eifersucht und Inzest. Da ist der Autorin einiges eingefallen.
Die Charaktere sind vielleicht ein bisschen flach, ein bisschen
stereotyp, aber gut - schließlich ist das ein Krimi und kein Anwärter auf den
Literaturnobelpreis.
Schlimmer finde ich
das Setting.
Wir haben da ein
winziges Dorf in Norddeutschland, das sich einer sensationellen Infrastruktur
erfreut: Es gibt einen Bürgermeister, einen
Pfarrer, eine Polizeidienststelle, einen Bäcker, einen Friseur, eine Pension, eine Kneipe, ein Waisenhaus und eine Burgruine mit
Kapelle und – unterirdischem Verlies. Ehrlich. Wenn das so läuft in Niedersachsens
Outbacks, dann wird der Länderfinanzausgleich jetzt wohl bald in Richtung Süden
fließen.
Und dann die Kinder,
die alle unter strenger Aufsicht des Pfarrers im Waisenhaus aufgewachsen sind –
ich mag mich täuschen, aber heißen solche Einrichtungen nicht seit geraumer
Zeit Kinderheim und werden Waisen nicht auch eher an Adoptiv- oder Pflegeeltern
vermittelt? Wir sind doch nicht mehr im 19. Jahrhundert.
Noch dazu ist das
ganze Dorf angeblich erzkatholisch. Die nächste größere Stadt ist Hannover. Ist
man in der Gegend traditionell nicht überwiegend evangelisch?
Einiges davon könnte
die Autorin mit ein paar Sätzen aufklären (eine große, erfolgreiche Firma am
Ort, eine geschichtlich bedingt katholische Enklave, was auch immer), aber das
tut sie leider nicht.
So, wie das Buch
sich präsentiert, erinnert es zu deutlich an Enid Blyton. Die vier Freunde. Mit
Taschenlampe. Allerdings ohne Hund. Man sollte dankbar sein.
Ein Punkt noch, der mich immer wieder ärgert. Die Autorin lockt uns mit Geheimnissen, deren Lösung sie
uns vorenthält. Was hatte Tanjas Vater denn nun zu verbergen? Nur die
Alkoholabhängigkeit ihrer Mutter? Riskiert ein Staatsanwalt wegen so was Kopf
und Kragen? Und hatten die Eltern wirklich einen Unfall oder wurden sie
ermordet? Auch der Grund, weshalb der Mörder sich ausgerechnet Tanja als Widersacherin
erwählt hat, ist so dünn, dass die Autorin ihn ganz zum Schluss selber noch schnell
in Frage stellt. Auch hier keine Antwort, keine Auflösung.
Was ich aber nicht
unerwähnt lassen möchte: Das Buch ist ein Erstlingswerk. Viele der Dinge, die
ich hier so freigiebig kritisiere, nerven mich auch an erfolgreichen und
hochgelobten Krimiautoren. Vielleicht schreibt die Autorin sich noch so richtig
warm und das nächste Buch ist dann ganz hervorragend.
Fazit:
Für einen
Tatort am Sonntagabend wäre die Geschichte völlig in Ordnung (allein schon,
weil wir da viel Übleres gewohnt sind), für einen richtig guten Roman reicht es
nicht so ganz aus.
Ja so um Paderborn herum hat es erzkatholische Flecken ;). Glaub ich jedenfalls in Erinnerung zu haben
AntwortenLöschenAber so arg viele Leichen finde ich auch übertrieben.
Paderborn liegt ja aber nicht gerade bei Hannover... aber egal.
LöschenIch weiß gar nicht mehr, wie viele Leute da sterben. Gefühlt auf jeden Fall mehr als überleben. :D